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Kindtaufe und Kilber
Auch Geburt und Taufe sind Ausgangspunkt und Anlaß für viele Bräuche: War ein Kind geboren, so verpackte es die Hebamme (Wiesmoor) fest und warm in Windeln und Lure und rollte es mit einem Wickelband von oben bis unten ein, damit seine Glieder sich streckten und die neugierigen ,,Bekiekers" es auch ,,bören" (heben) konnten, um sein Gewicht zu prüfen.
Das frohe Ereignis wurde gleich in den ersten Stunden des Nachbarn und Verwandten angesagt, die Taufe auf den dritten Tag festgelegt. Die Taufpaten waren ja in erreichbarer Nähe und nach herkömmlichem Brauch in bestimmter Reihenfolge vorgesehen. Von ,,beiden Sieten" der Verwandtschaft mußten sie kommen. Zunächst stand das Patenrecht: den Großeltern der neuen Generation zu, dann folgten die Geschwister und Schwäger der Eltern. ,,Poate Stoan" war ein Ehrenamt. Ein Junge, wurde während der Taufe von seinem Patenonkel gehalten, ein Mädchen von der Patentante. Der zweite Pate durfte nur ,,Föte Hollen", d.h. die Hand auf die Füße des Täuflings legen.
Am Tauftag fanden sich die Paten rechtzeitig ,,in'n stieven Stoat" ein, begrüßten die Mutter und ließen sich in der besten Stube mit Kaffee bewirten. Auch die Nachbarsfrauen gaben dem Kind das Geleit zur Kirche. Es mag manchmal recht lustig zugegangen sein, wenn die behäbigen Frauen mit Hilfe eines Stuhles und unter gegenseitigem Schieben und Ziehen von hinten auf den langen Wagen stiegen. Eine Kutsche besaßen nicht alle.
Um den Namen des neuen Erdenbürgers brauchte man sich keine Gedanken zu machen, den bestimmten die Paten nach ihrem eigenen.
Der kirchlichen Feier folgte ein Festtrunk beim Kaufmann im Dorf. Das Kind wurde ins Bett der Wirtin gelegt und schlief, derweil sich die Gesellschaft angeregt über den kleinen Erdenbürger unterhält und dabei manchmal wohl auch ,,recht tief ins Glas schaut". Es soll, so erzählt man ich Scherzhafterweise, auch schon vorgekommen sein, daß Hebamme, Paten und Frauengefolge ohne Kind heimkehrten. Aber das war sicher macht die Regel.
Die Paten, der Vater des Kindes und auch die Taufgäste ,,mossen de Knippen wiet loßmaken". Die Hebamme drückte jedem Taufgast den Täufling in den Arm, diese Ehre kostete etwas. Besonders tief aber mußten der Vater und die Paten in den Geldbeutel greifen. Dem Küster stand ein Trinkgeld zu, und für die junge Mutter mußten die Paten einen Korb voll Waren einkaufen: Kaffeebohnen, Zucker, getrocknete Pflaumen, Reis, Dicke und Lange Beschüte.
Einige Wochen nach der Taufe, wenn die junge Mutter zum ersten Mal wieder zur Kirche geht, ist der Besuch der Verwandtschaft und auch der Nachbarn fällig. Sie kommen aber nicht mit leeren Händen. Jeder, der zum Kilber geladen war, ob Nachbar oder Verwandter, mußte die vorgeschriebenen Gaben mitbringen: ,,Nen Wegge, so groat as'n Ploagrad", vier Pfund Butter und einige Süßigkeiten für die Kinder. Der ,,Weggen" wurde in einem buntkarierten Kissenbezug herangetragen.