Nach 125 Jahren Familienwurzeln in Wettrup entdeckt

Wettrup. Spannung hat in Wettrup in der Luft gelegen, als ein großer Reisebus aus Bayern dort eintraf – denn die Besucher kannte noch keiner. Angekündigt hatten sich Nachfahren der Familie Klune-Möllenstegen, deren Vorfahren 1893 von Wettrup aus in eine deutsche Siedlung nach Bosnien ausgewandert waren.

Empfangen wurden sie von den heutigen Bewohnern ihres Stammhofes, der Familie Klus, und einigen Heimatforschern, die mögliche Fragen der Besucher beantworten wollten. Bald wurden Stammbäume verglichen und Namenslisten ausgetauscht. Nach wenigen Minuten war den emsländischen Forschern klar, wen sie vor sich hatten: die weit verstreuten Nachfahren der Bauernfamilie Möllenstegen. Dieses alt-emsländische Bauerngeschlecht lässt sich in Wettrup bis in das 16. Jahrhundert zurückverfolgen.

Im 19. Jahrhundert heiratete dort ein Johann Theodor Anton Klune aus Basum bei Ankum ein, nahm aber den Hofnamen Möllenstegen an. 1886 brannte das alte Bauernhaus nieder und wurde bereits ein halbes Jahr später neu errichtet. Damals entstand eines der letzten großen Fachwerkhäuser im Emsland mit einem aufwendig gestalteten Fachwerkgiebel.

Bald mussten die Bauherren aber feststellen, dass sie sich mit dem Neubau wohl etwas übernommen hatten. Schulden drückten den Hof, das Finanzamt meldete rückständige Forderungen an und drohte mit einem Verfahren sowie Geldstrafen. So entschloss sich die Familie, den Stammhof in Wettrup zu verkaufen, um sich in einer deutschen Siedlung in Bosnien eine neue Existenz aufzubauen. Am 13. August 1893 trafen die Möllenstegen mit sieben Kindern in Bosnien ein und nannten sich dort fortan Klune. Damals zogen viele Siedler aus katholischen Gegenden wie dem Emsland und Südoldenburg, dem Rheinland und Schlesien in die Siedlung Windthorst bei Banja Luka in Bosnien, das nach dem Russisch-Türkischen Krieg und dem „Berliner Frieden“ 1878 unter die Verwaltung der österreichischen K.-u.-k-Monarchie gekommen war.

Den Hof in Wettrup erwarb 1893 die Familie Klus, deren alte Hofstelle bis dahin sehr beengt im Wettruper Ortskern lag. So wurde aus dem Hof Möllenstegen der Hof Klus, und an die früheren Besitzer erinnerten dort bald nur noch die Namen am alten Fachwerkgiebel.

Die Kinder der Eheleute Möllenstegen-Klune heirateten in Bosnien vorzugsweise Nachfahren deutscher Siedler aus dem Rheinland mit typischen Familiennamen wie Görges oder Lamers. Auch nach dem Untergang der Donaumonarchie lebten die deutschen Siedler in Bosnien zunächst völlig unbehelligt.

Doch 1944 mussten alle Deutschen vor den Tito-Partisanen flüchten. Sie fanden zunächst Aufnahme in Österreich, wo auch heute noch ein Zweig der Möllenstegen-Nachfahren ansässig ist. Die Familie Klune-Lamers zog weiter nach Bayern, zwei Töchter wanderten von dort nach Amerika aus . So leben die Nachfahren der Wettruper Bauernfamilie heute weit verstreut.

Anlässlich einer Familienfeier traf sich die Verwandtschaft jetzt zu einer einwöchigen Deutschlandreise, bei der auch die Herkunftsorte der Vorfahren erkundet wurden. Bayern, Köln und der Niederrhein standen dabei auf dem Programm. Und natürlich auch das emsländische Wettrup, das bis dahin noch niemand aus der Verwandtschaft gesehen hatte.

Über den früheren Gemeindedirektor Werner Klute war der Kontakt zur Familie Klus rasch hergestellt und gemeinsam mit Heimatforscherin Hanna Lampen und dem Leiter des Emslandmuseums in Lingen Andreas Eiynck wurde ein Besuchsprogramm zusammengestellt. Nach einem zünftigen Mittagessen im Saal Schrichte präsentierte Gästeführerin Agnes Lampen den Wettruper Ortskern mit der historischen Pfarrkirche. Den Höhepunkt des Programms bildete natürlich der Besuch auf dem Hof Klus mit der Besichtigung des vorbildlich restaurierten alten Fachwerkhauses.

Erstaunt waren die Gäste, als Hausherr Bernhard Klus ihnen dort die Balkeninschrift mit den Namen ihrer Vorfahren präsentierte, und auch die freundliche Bewirtung durch die Familie Klus wird den Gästen wohl noch lange in Erinnerung bleiben.

Den Abschluss des Besuchs bildete eine Besichtigung der Kirchen in Lengerich unter der Leitung von Gästeführerin Renate Junck. Und eines haben die fernen Gäste schon angekündigt: Sie wollen auf jeden Fall wiederkommen, sei es zum Radfahren oder zu einer weiteren historischen Spurensuche.

Zum Original Artikel gehts hier zur Lingener Tagespost.